Rückblick auf das ZOOM-Treffen der Wochenkinder Sachsen am 17.10. Thema: Gesundes Abgrenzen
Mit einem ungewöhnlichen Blitzlicht begann unser digitales Zusammenkommen: „Wenn du heute ein Getränk wärst – welches wärst du?“ Diese bildhafte Einstiegsfrage öffnete einen ersten Raum für Selbstwahrnehmung. Die Antworten reichten von gehaltvoll bis leer, von still über medium bis prickelnd – und spiegelten damit bereits die Vielfalt unserer inneren Zustände und Bedürfnisse wider.
Im Zentrum unseres Gesprächs stand die Frage, was „gesundes Abgrenzen“ im heutigen Leben bedeutet – vor dem Hintergrund unserer biografischen Prägungen als ehemalige Wochenkinder.
Wie setzen Kinder Grenzen und wie Erwachsene?
Kinder äußern ihre Grenzen oft durch Emotionen, Widerspruch oder Rückzug – wenn sie dürfen. Werden sie hingegen überfordert oder nicht wahrgenommen, passen sie sich an. Das führt nicht selten zu Erstarrung, Maskierung und einer tiefen Entfremdung vom eigenen Empfinden. Als Erwachsene setzen viele von uns heute oft Grenzen über Distanz. Im idealen Falle erlernen wir Ich-Botschaften zu formulieen oder bewusste Selbstsorge – doch nicht selten begleiten uns auch hier Unsicherheit oder innerem Konflikte.
Was heißt also gesundes Abgrenzen? Nicht nur „Nein“ sagen – sondern auch Möglichkeiten aufzeigen. Den eigenen Tanz- oder Spielraum erkennen und vertreten. Grenzen nicht als starre Mauern begreifen, sondern als bewegliche, lebendige Kontaktlinien. Rote Linien, energetische Rückzüge, klare „Stopp“-Signale – das Vokabular ist vielfältig, und das Bewusstsein darüber kann wachsen.
Ein zentrales Bild, das im Gespräch auftauchte, war das des „Kontrollvakuums“: Viele von uns wuchsen in einem Umfeld auf, in dem Bezugspersonen keine klaren Haltungen oder Regeln vermittelten. Persönliche Räume wurden weder benannt noch geschützt. Aus diesem Vakuum heraus entwickelten sich oft Rollenkonfusion und Überverantwortung – wir funktionierten, statt zu fühlen.
Heute begleitet die meisten von uns die Frage: Wie kann ich Grenzen setzen, ohne andere zu verletzen – und ohne mich selbst zu verlieren? Auch Themen wie Identität und Rollenklärung rückten in den Fokus: Wer bin ich, wenn ich nicht funktioniere? Wie gelingt es, mir selbst Raum zu geben – ohne schlechtes Gewissen? Abgrenzung zu zeigen nicht als Abwehr, sondern als Einladung: zur Selbstwahrnehmung, zur Präsenz, zur eigenen Erlaubnis zu sein.
Erwähnte Strategien aufgrund eigener Erfahrungen oder Erlebnissen waren u. a.:
- Externalisierung – also das Sichtbarmachen und „Auslagern“ übernommener Muster. https://de.wikipedia.org/wiki/Externalisierung_(Psychologie)
- Grenziehung als sachlicher, neutraler Vorgang – keine Drama-Inszenierung, sondern eine Form der Selbstklärung.
- Respekt – sowohl für die eigenen Grenzen als auch für die der anderen.
- Der Unterschied zwischen Grenzen setzen und Grenzen zeigen, insbesondere im Kontext von eigener Elternschaft.
Unser Austausch endete mit persönlichen Einsichten wie z.B. diesen „Ich fühle mich bereichert – aber auch wie ein leeres Glas.“ „Ich frage mich, ob es mir besser gehen würde, wenn ich das Gespräch über gesunde Grenzen mit meiner Mutter geführt hätte – von Mutter zu Mutter.“ „Ich vermisse Herzlichkeit. Bin ich selbst eigentlich herzlich?“ „Man konnte uns nicht lesen – wir trugen Masken.“ Offen blieben Fragen, die uns möglicherweise noch länger begleiten werden: Wie gelingt Abgrenzung ohne Trennung? Wie umgehen mit dem Schmerz aus nicht gesetzten oder nicht respektierten Grenzen? Was kann ich meinem inneren Kind heute an Möglichkeiten zeigen, statt nur an Regeln? Wo endet mein Raum – und beginnt der der anderen?
Unser gemeinsames Fazit:
Gesundes Abgrenzen heißt für uns nicht nur Schutz, sondern Spielraum. …sich spüren statt sich verteidigen. …Verantwortung teilen, statt sie allein zu tragen.…der eigenen Herzlichkeit Raum geben. Und vor allem: „Gesundes Abgrenzen“ als elementares Bedürfnis in Beziehungen zu benennen – im Privaten wie im Gesellschaftlichen. Ein Thema, dem wir uns auch in unserer nächsten ZOOM-Runde weiter annähern werden.