Dienstag, 8. Juli 2025

Zusammenfassung des Zoom-Treffens zum Thema "Gefühle" (27.06.2024)

Aus unserer Angebotsreihe "Wochenkinder Sachsen": Diese Zusammenfassung resultiert aus Notizen.

Nach diesem Austausch zeigt sich, dass Menschen mit früher Trennungserfahrung, in unserem Fall, den „Wochenkindern“,  häufig in sozialen Kontexten eine erhöhte innere Alarmbereitschaft mit sich tragen. Diese prägt ihre Wahrnehmung, ihr emotionales Erleben und ihr Verhalten in Beziehungen auf vielschichtige Weise.

Sensibilität und Reaktionen auf die Umwelt

Mehrere Teilnehmende beschrieben eine ständige Wachsamkeit, die sich sowohl körperlich als auch emotional äußert. Sie berichteten, schreckhafter und schneller erschöpft zu sein, was sich im Alltag in Form von Rückzug, Überforderung oder auch Gereiztheit zeigen kann. Diese hohe Sensibilität kann aber auch Vorteile mit sich bringen, etwa in der schnellen Erfassung von Situationen und der schnellen Reaktion darauf oder der feinen Wahrnehmung anderer Menschen. 

Das Zulassen von Nähe wird ambivalent erlebt: Umarmungen oder intensive Gespräche können sowohl ersehnt als auch gefürchtet werden. Das eigene Nähe-Distanz-Empfinden ist dabei sehr tagesformabhängig und von der konkreten Person abhängig. Verletzungen persönlicher Grenzen können zu heftigen Reaktionen führen. Dennoch kam es auch zu Berichten von Begegnungen, die überraschend leicht und tragfähig waren. 

Soziale Interaktionen: Ein Drahtseilakt

Soziale Anlässe wurden als oft sehr ermüdend beschrieben. Dies liegt daran, dass man ständig "auf der Hut" sein muss:  kontrollieren, wer zu nahekommt, und überlegen, was man sagen "darf" und was nicht. Hierbei erlebt man einen gleichzeitigen Wunsch nach Verbundenheit und nach Rückzug.

Die Gefahr der Überreizung ist hoch, die „soziale Batterie“ schnell leer. Es wurde geschildert, dass das eigene soziale Ich oft wie eine Maske erscheint: funktional, aber nicht echt. Die Aufrechterhaltung dieser Maske erzeugt Erschöpfung und Verspannung. Sie kann zu plötzlichem Verstummen oder Rückzug führen. Gerade in Gruppenbegegnungen zeigten sich Unterschiede: Kleine, vertraute Runden wurden als angenehmer empfunden, große Gruppen eher gemieden außer, wenn sie Anonymität und die Möglichkeit zum unauffälligen Gehen boten.

Gruppendynamik und Vertrauen

Es wurde deutlich, wie schwer es fällt, nicht zu sehr auf die Bedürfnisse anderer einzugehen und sich dabei selbst zu vergessen (sogenanntes "People Pleasing"). Nur auf andere zu reagieren, anstatt selbst zu agieren, ist sehr anstrengend. Auch beiläufige Kommentare sollten nicht persönlich genommen werden; sie sind Angebote, keine Bewertungen. Manchmal entsteht Neid, wenn andere Menschen leichter Beziehungen eingehen können, was zu einem Gefühl des Ausgeschlossenseins führen kann. Kurze Kontaktaufnahmen können einfach sein, doch das Vertiefen einer Beziehung ist schon schwieriger, da es häufig an Vertrauen und der Fähigkeit zur Abstimmung mangelt.

Kommunikation und Beziehungsstatus

Ein wiederkehrendes Thema war die Schwierigkeit, eigene Gefühle in Beziehungen zu artikulieren und damit sichtbar zu werden, einen eigenen Raum einzunehmen. Die Angst vor Zurückweisung oder Unverständnis führt dazu, dass Gespräche mit Familie oder Freunden häufig gemieden werden. Stattdessen entstehen Rückzugsstrategien, oft getarnt als logische Ausreden. 

Unsicherheit über den Beziehungsstatus, sowohl in familiären als auch in freundschaftlichen Kontexten, führt häufig zu Überanpassung oder unbewusster Distanzierung. Das „Lesen“ des Gegenübers (Mimik, Stimmung) wurde als anstrengend, aber notwendig beschrieben, um emotionale Sicherheit herzustellen. Gleichzeitig wurde die hohe Fehlerquote bei dieser „Personenlektüre“ als Quelle für Missverständnisse und Rückzugsreaktionen erkannt. Einige berichteten auch davon, dass sie bei ersten Kontakten offen seien, später aber in Rückzug und Misstrauen verfallen, ein Phänomen, das andere Menschen oft irritiert. 

Grenzen setzen und Nähe zulassen

Es wurde deutlich, wie schwer es fällt, rechtzeitig eigene Grenzen zu setzen, etwa wenn man Ruhe und Raum zum Nachdenken braucht, da die Beziehung nicht gefährdet werden soll. Sätze wie "Moment mal, ich muss darüber in Ruhe nachdenken" fallen schwer. Beim Setzen von Grenzen reagiert man häufig zu spät und dann manchmal emotional, was von anderen als unhöflich empfunden werden kann. Auch Schweigen als Antwort (aufgrund der benötigten Verarbeitungszeit) wirkt oft so.

Das stufenlose Einstellen von Nähe und Distanz fällt ebenso schwer wie das Kennenlernen neuer Freunde, da eine große Angst vor dem Verlassenwerden besteht. Manchmal gelingt der Einstieg in eine Beziehung schnell, doch der Aufbau langfristigen Vertrauens ist schwierig und immer wieder von Misstrauen (bis hin zur Paranoia) geprägt. Es besteht ein starkes Verlangen nach Gesellschaft, gleichzeitig aber auch eine große Furcht davor.

Familiäre Beziehungen

Die Beziehung zu den Eltern ist generell schwierig, besonders zu den Vätern, die eventuell schon lange nicht mehr präsent sind, aber auch zu den Müttern. Obwohl Mütter oft selbst den Wunsch nach einer besseren Beziehung haben, können Wochenkinder ihre Mutter manchmal nicht wirklich als solche wahrnehmen, was Mütter wiederum traurig stimmt. Besuche bei den Eltern sind selten, und man fühlt sich fremd.

Ausblick und nächste Schritte

Für die kommenden Treffen wurden mehrere Themenvorschläge gesammelt:

  • Gemeinsame Lektüre und Diskussion der Seite: digitale-selbsthilfe.de/umsetzen/digitale-treffen

  • Fragen zur eigenen Position in der Ursprungsfamilie

  • Was sind „positive Gefühle“ – und wie lassen sie sich erleben? (Leichtigkeit, Zufriedenheit, Dankbarkeit, Freude)

  • Umgang mit Kontaktabbruch – wie deute ich ihn, was löst er aus?

  • Ist meine Familie dysfunktional – und was heißt das überhaupt?

  • Was bedeutet „Personenlesen“ – und wie hoch ist die Fehlerquote? 

Gemeinsam wurde am Ende des Austauschs entschieden, als nächstes sich dem "Körperlichen Fühlen“ zu widmen. Als Lesetipp wurde empfohlen: Pete Walker: Tao der Gefühle – ein Ansatz, der versucht, emotionale Selbstfürsorge mit akzeptierender Selbsterforschung zu verbinden.

 (Rico)

Zusammenfassung des Zoom-Treffens zum Thema "Gesundes Abgrenzen" (17.05.25)

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