Aus unserer Angebotsreihe "Wochenkinder Sachsen":
Der Moment, in dem Betroffene von ihrer Zeit in der Wochenkrippe erfahren, führt oft zu einer ganz neuen Auseinandersetzung mit sich selbst und den Eltern. Manche wussten es schon immer, andere haben es erst vor kurzem erfahren. Die, die es schon früh wussten, haben die Bedeutung dessen trotzdem erst viel später erfasst, zum Beispiel in einer Therapie. Diejenigen, die es erst vor kurzem erfahren haben, haben auch oft gar keine eigenen Erinnerungen an diese Zeit und müssen mühsam bei ihren Verwandten nachforschen. Und viele von uns haben sich schon lange gefragt, „Was ist eigentlich mit mir los?“
Befreiung durch Erkenntnis
Mit dieser Erkenntnis, ein sogenanntes "Wochenkind" gewesen zu sein, lichten sich plötzlich viele Dinge und man fühlt sich wie befreit. Entscheidend ist dabei zu verstehen, dass eventuelle Probleme und Symptome nicht persönlichkeitsbedingt sind, sondern von außen verursacht wurden, auch wenn sie lange, zum Teil bis in die Gegenwart nachwirken.
Individuelle Impulse wurden möglicherweise in der Wochenkrippe unterdrückt. Wohlwollende Aufmerksamkeit gab es vielleicht nur gegen Gehorsam und die meisten Dinge gehörten einem nicht, sondern mussten geteilt werden. Das erschwerte bis heute den Zugang zu eigenen Wünschen und eigenem Selbsterleben (bis hin zur Identität) und zu den Empfindungen. Diese erscheinen oft wie verschleiert oder wie ein blinder Fleck. Manche von uns fühlen sich wie „unsichtbar“, „fremd“, „nicht zugehörig“.
Hemmungen und Verstellungen
Exponierte Situationen, in denen man im Rampenlicht oder Führungsrollen steht, wurden als unangenehm beschrieben. Der Wunsch nach Privatsphäre, also einem sicheren Rückzugsort, kann übermächtig werden. Umgekehrt kann Privatsphäre auch fremd erscheinen, sodass man sich nirgends wirklich sicher fühlt. Manche ziehen sich in die eigene Gedankenwelt zurück.
Zum Selbsterleben gehört auch oft auch ein eingeschränktes Körpergefühl. Ebenso kann die Empathie für andere Menschen „verstellt“ wirken. Entweder werden Gefühle nur schwach wahrgenommen oder sie erscheinen, überdeutlich, überwältigend und viel zu "laut".
Dieses Empfinden spiegelt sich auch im Verhalten wider. Manche tun zu viel oder zu wenig für andere, manche kommunizieren zu spät – und dann zu laut. Körpersprache oder Emotionen bleiben unausgedrückt oder wirken unpassend. Gut reguliertes Verhalten muss oft erst erlernt werden, um Beziehungen als bereichernd erleben zu können.
Schatztruhenrunde – Ressourcen und Stärken
Trotz dieser frühkindlichen Prägungen als ehemalige Wochenkinder entwickelten und bewahren wir besondere Fähigkeiten oder müssen erst lernen, sie als solche zu anzuerkennen. Folgende Schätze konnten aus unseren "Truhen" benannt und miteinander gewürdigt werden:
Resilienz, Durchhaltevermögen, Anpassungsfähigkeit, Sensibilität, Neugier, Offenheit, Kritikfähigkeit, Uneitelkeit.
„Ich darf mir meinen Raum heute selbst gestalten“, sich selbst annehmen und das Leben entsprechend anpassen
die Vergangenheit neu verstehen, die eigene Schatzkiste suchen, weniger machen lernen, Bedürfnisse erkennen.
von Menschen als wertvoll wahrgenommen werden, sich seinen Raum bewahren und zugleich öffnen, Menschen suchen, die gut tun, Gefühle auch überspielen können.
das Anderssein bejahen, ein leiser Mensch sein, Perfektionismus reflektieren, den Moment (die Gegenwart) aushalten, Menschenkenner/in geworden zu sein
(Rico & Cornelia)